Warum ist eine Vollmacht so entscheidend?
Ein Unfall, eine plötzliche Erkrankung oder altersbedingte Einschränkungen können jeden treffen – oft ohne Vorwarnung. Wer dann nicht mehr selbst entscheiden kann, braucht jemanden, der rechtlich befugt ist, für ihn zu handeln.
Ohne Vorsorgevollmacht greift das Betreuungsgericht ein – und bestellt eine rechtliche Betreuung. Dabei kann auch eine völlig fremde Person eingesetzt werden, sel bst wenn Angehörige bereitstehen.
Die Vorsorgevollmacht verhindert genau das: Sie regeln selbstbestimmt, wer Sie im Notfall vertreten darf.
Die Generalvollmacht – weitreichend, aber nicht grenzenlos
Die Generalvollmacht ermächtigt eine oder mehrere Personen dazu, in allen vermögensrechtlichen und persönlichen Belangen zu handeln:
- Verträge abschließen oder kündigen
- Bankgeschäfte tätigen
- Immobilien kaufen oder verkaufen
- Behördenwege erledigen
Rechtslage: Eine Generalvollmacht kann grundsätzlich auch über den Tod hinaus gelten (§ 168 Satz 1 BGB analog) – sofern dies ausdrücklich geregelt ist.
Praxisempfehlung: Die Generalvollmacht sollte notariell beurkundet werden, wenn auch Grundstücksgeschäfte, GmbH-Gesellschafterrechte oder Registereintragungen umfasst sein sollen (§ 29 GBO).
Die Vorsorgevollmacht – Schutz im medizinischen und persönlichen Bereich
Die Vorsorgevollmacht betrifft besonders sensible Bereiche:
- Zustimmung zu medizinischen Behandlungen
- Unterbringung in Pflegeeinrichtungen
- Entscheidung über lebenserhaltende Maßnahmen
- Organisation von Betreuung und Pflege
- Regelung des Aufenthaltsorts
Damit eine bevollmächtigte Person z. B. in eine Operation einwilligen oder eine lebenserhaltende Maßnahme verweigern darf, muss dies ausdrücklich im Text der Vollmacht geregelt sein (§§ 1820, 1829 BGB, in der Neufassung aufgrund des Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 04.05.2021 (BGBl. I S. 882, in Kraft getreten am 01.01.2023)).
Aktuelle Rechtsprechung: BGH konkretisiert Rechte und Pflichten
a) BGH, Beschluss vom 8. Mai 2024 – XII ZB 577/23
Thema: Grenzen der Kontrolle durch das Betreuungsgericht
Eine Vorsorgevollmacht wird nur dann durch Betreuung ersetzt, wenn der Bevollmächtigte objektiv ungeeignet ist – z. B. bei Interessenkollision oder Missbrauchsverdacht.
b) BGH, Beschluss vom 16. November 2022 – XII ZB 212/22
Thema: Pflicht zur persönlichen Betreuung?
Der Bevollmächtigte ist rechtlicher Vertreter, kein Pflegehelfer. Er muss organisieren, nicht selbst leisten.
c) BGH, Beschluss vom 31. Juli 2024 – XII ZB 75/24
Thema: Suspendierung einer Vollmacht
Nur bei konkreter Gefährdung kann eine Vollmacht vollständig suspendiert werden.
Wer kontrolliert die Kontrolle?
Auch eine wirksame Vorsorgevollmacht kann unter gerichtliche Aufsicht gestellt werden – durch eine sogenannte Kontrollbetreuung (§ 1820 Abs. 3 BGB). Diese wird nur angeordnet, wenn:
- der Vollmachtgeber aufgrund einer Krankheit oder Behinderung nicht mehr in der Lage ist, seine Rechte gegenüber dem Bevollmächtigten auszuüben, und
- Aufgrund konkreter Anhaltspunkte davon auszugehen ist, dass der Bevollmächtigte die Angelegenheiten des Vollmachtgebers nicht entsprechend der Vereinbarung oder dem Erklärten oder mutmaßlichen Willen des Vollmachtgebers besorgt.
Die Kontrollbetreuung ergänzt die Vollmacht – sie ersetzt sie nicht.
Empfehlungen aus der Kanzleipraxis
✅ Eindeutig formulieren
– Klare Trennung zwischen General- und Vorsorgevollmacht
– Lebensverlängernde Maßnahmen ausdrücklich regeln (§ 1901a BGB)
– Schriftform mit Datum, Unterschrift und Ort
– Notarielle Beurkundung bei Grundbuch- und Gesellschaftsfragen
✅ Mehrfachbevollmächtigung überlegt gestalten
– ggf. Haupt- und Ersatzbevollmächtigte benennen
– Aufgaben aufteilen
✅ Widerrufsmöglichkeiten regeln
– Klarer Widerrufsvorbehalt
– Möglichkeit der gerichtlichen Kontrolle bei Verdacht auf Missbrauch
Praxisbeispiel
Frau M., 78 Jahre, hat ihrem Sohn eine Vorsorgevollmacht erteilt. Er kümmert sich später kaum noch. Die Tochter beantragt Kontrollbetreuung. Das Gericht prüft, ob konkrete Gefährdung vorliegt.
Ergebnis: Die Vollmacht bleibt bestehen, aber ein Kontrollbetreuer wird zur Überwachung der Finanzen eingesetzt.
Fazit: Selbstbestimmung braucht Struktur
General- und Vorsorgevollmachten sind zentrale Instrumente zur rechtlichen Vorsorge. Sie sichern Ihre Selbstbestimmung – aber nur, wenn sie sorgfältig erstellt und regelmäßig überprüft werden.
Ich unterstützte Sie gern bei:
- Erstellung rechtssicherer notarieller Vollmachten
- Kontrolle und Überarbeitung bestehender Dokumente
Kontaktieren Sie mich – rechtzeitig und mit Weitblick.